Ruanda unterrichten - im Fachunterricht und fächerübergreifend
Hinweis: Eine stark gekürzte Fassung ist in der im November 2017 erschienen Publikation PARTNERLAND RUANDA - NEUE PERSPEKTIVEN FÜR DEN UNTERRICHT, hg. Pädagogisches Landesinstitut Rheinland-Pfalz, Speyer 2016, S. 19-25 abgedruckt.
Einleitung
Durch die Beschäftigung mit Ruanda in der Schule Verständnis für die Situation der Menschen im rheinland-pfälzischen Partnerland zu gewinnen kann ein wesentlicher Aspekt des Erziehungs- und Bildungsauftrags der Schule sein. Der folgende Beitrag will einige Anregungen geben, wie „Globales Lernen“ im Rahmen einer Bildung für nachhaltige Entwicklung die Schülerinnen und Schüler befähigen kann, sich mit gesellschaftlichen, ökologischen, wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen auseinanderzusetzen.
Die Vermittlung von Kenntnissen, Kompetenzen und Werten soll auch dazu führen, eigene Handlungsmöglichkeiten und Gestaltungsspielräume einzuschätzen und im Sinne globaler Verantwortung wahrzunehmen. Konkretisieren lässt sich dies am Beispiel Ruandas und der Partnerschaft Rheinland-Pfalz/Ruanda. Hierzu werden Hinweise auf Lehrplanbezüge, Schulbücher, Materialien und Literatur gegeben sowie Überlegungen zu Ruanda als Unterrichtsgegenstand angestellt - ob im Fachunterricht, fächerübergreifend oder anderen Formen.
Der Beitrag ist gegliedert in
1 Unser Blick nach Süden – eine allgemeine Einordnung
2 „Ruanda unterrichten“ - eine Strukturskizze
3 Ruanda als Unterrichtsthema - ein Blick in die Lehrpläne
4 Fachunterricht, fachübergreifendes und fächerverbindendes Arbeiten, außerunterrichtliches Lernen – es gibt (fast) keine Grenzen
5 Partnerschaft und Schulpartnerschaften – besondere Chancen für die Schulen
6 Zu den Themen und Materialien für den Unterricht
7 Kommentierte Literaturhinweise und Links
1 Unser Blick „nach Süden“ – eine allgemeine Einordnung
Der Blickwinkel auf Staaten und die Lebenssituation der Menschen in der „Dritten Welt“ ist bei uns oft noch sehr eingeengt: Armut und Elend, Menschen, die im Müll nach Nahrung suchen, hungernde Kinder, Umweltzerstörung und Naturkatastrophen, Kriege und Ausbeutung, Flüchtlingsströme nach Katastrophen und kriegerischen Konflikten. Und es scheint von Jahr zu Jahr schlimmer zu werden. Und wie soll man daran etwas ändern? Und warum denn?
Mit dem Fokus auf Afrika sind zudem viele Stereotype in der Wahrnehmung und der Berichterstattung zu beobachten: Der "dunkle, schwarze Kontinent“ mit Stämmen und Stammeskriegen, archaischem Verhalten und Exotik, Wildnis und Freiheit, Wüste und Regenwald, Elend und Armut. Ungeachtet ihrer unterschiedlichen kulturellen Traditionen und politischen Entwicklungen hängt den 54 Staaten des von 1,1 Milliarden Menschen bewohnten Kontinents das Klischee des Krisen- und Kriegskontinents an. Das hat in manchen Punkten seine Berechtigung, aber auch nachteilige Konsequenzen. Vielfalt, Unterschiede und Größe werden oft nicht erfasst. Allein die flächenmäßige Größe Afrikas zeigt: Es ist größer als die USA, Europa, Indien, China und Japan zusammen.
Infografik auch auf der Homepage des Partnerschaftsvereins Rheinland-Pfalz/Ruanda:
http://rwa.rlp-ruanda.de/de/medien/unterrichtsmaterialien/ [10.04.2017]
Soziale, politische und ökonomische Missstände in Afrika sind evident. Statistiken weisen Afrika den niedrigsten Entwicklungsstand aller Regionen der Welt zu - bei einer Höchstzahl militärischer und politischer Konflikte und einem minimalen Anteil an den globalisierten ökonomischen Prozessen. Auch angesichts von Armut und Hunger, von Krieg und Korruption, von Flucht und Vertreibung, von Malaria und HIV/Aids, ist der Selbstbehauptungswille der „kleinen Leute“ groß. Der mühsame, aber meist erfolgreiche Überlebenskampf des größeren Teils der Bevölkerung ist eindrucksvoll. Einen Blick „nach unten“ hat die Partnerschaft, weil sie sich den Menschen zuwendet. Durch das vielfältige Netz von direkter, freier Kommunikation zwischen Menschen in Rheinland-Pfalz und Ruanda kann ein wohltuender Kontrast zu den Klischees von Afrika, wie sie in Filmen und Romanen immer noch zu finden sind, vermittelt werden. Das heißt nicht, auf eine allgemeine Einordnung in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zu verzichten. Die in diesem Heft vorgelegten Beiträge und Materialien eignen sich vorzüglich dazu.
2 „Ruanda unterrichten“ - eine Strukturskizze
Wieweit trägt Ruanda als Beispiel für die Beschäftigung mit Fragen der Entwicklung und der Entwicklungszusammenarbeit in der Schule, und welche Einsichten sind dabei verallgemeinerbar? Welche Kompetenzen können Schülerinnen und Schüler erwerben oder vertiefen, und welche Inhalte sind besonders geeignet?
Gelegentlich wird Ruanda als „Brennglas“ bezeichnet, weil sich typische Problemlagen in diesem kleinen Land besonders deutlich zeigen: Bevölkerungswachstum und Landmangel, Binnenlage und schlechte Infrastruktur, Fehlen nennenswerter Bodenschätze und Orientierung an Exportprodukten wie Kaffee und Tee, Dilemma zwischen „cash crop“, den in den Entwicklungsländern für den Export angebauten Nahrungsmitteln, und den „food crop“ der selbstversorgungsorientierten Landwirtschaft, schwacher Binnenmarkt und geringe Wertschöpfung, Tradition versus Moderne, zunehmende soziale Differenzierung in arm und reich, dominante Eliten und intransparente politische Prozessabläufe, „Kolonialerbe“ und Wirkungen der Entwicklungszusammenarbeit – die Aufzählung ließe sich fortsetzen.
„Die Entwicklungsländer“ sind keine Einheit: Es bedarf der Differenzierung, des Überblicks, des Vergleichs, des Kontrastes wie der vertiefenden Bearbeitung zur Erschließung typischer Elemente. Ruanda wird nicht als das Beispiel für Entwicklungsländer/“Dritte Welt“/ Entwicklungspolitik/Globalisierung gelten können, aber es bietet besondere Möglichkeiten und Handlungsoptionen:
- Die Partnerschaft des Landes Rheinland-Pfalz mit der Republik Ruanda ist ein besonderer Zugang zur Nord-Süd-Kooperation, der fachliche Information mit ethischen Werten und einer Handlungsdimension verknüpfen kann
- Komplexität und Multidimensionalität von Unterentwicklung, Entwicklung und Entwicklungspolitik oder zur Definition von Armut und Wohlstand können am Beispiel Ruanda in einer Fallstudie herausgearbeitet werden, die auch die Möglichkeiten und Grenzen eigenen Engagements verdeutlichen können.
Für die Schule bieten sich zur Partnerschaft Rheinland-Pfalz/Ruanda Fragestellungen an wie
- die Bedeutung direkter partnerschaftlicher Kooperation („Graswurzelpartnerschaft“) für die Menschen in Ruanda und in Rheinland-Pfalz
- der Vergleich der „Graswurzelpartnerschaft“ mit staatlicher Entwicklungszusammenarbeit
- die Möglichkeiten eigenen Engagements im Rahmen der Partnerschaft
- die nachhaltige Wirkung längerfristiger Zusammenarbeit
- eine vergleichende Betrachtung einzelner Lebensbereiche, z.B. Ressourcenverbrauch, Ernährung
- Wertvorstellungen im Alltag (Zusammenleben, Familie, …), Lebensstile und Vorbilder.
Man wird bei der Beschäftigung mit Ruanda mehrdimensional und multiperspektivisch vorgehen. Ohne eine historische, kulturelle, politische und soziale Dimension bleibt eine geographisch-ökonomische Raumerschließung nur Stückwerk. „Ruanda heute“ oder „Zukunftsperspektiven Ruandas“ ohne den Genozid von 1994 und dessen Vorgeschichte einzubeziehen bliebe unzulässig verkürzt.
Was die Entwicklung der letzten beiden Jahrzehnte angeht, so wird der Blick auf Ruanda oft zu anderen Beobachtungen führen als bei den anderen Staaten Afrikas. Ruanda durchläuft nach 1994 eine außergewöhnliche und in einzelnen Bereichen rasante Nachkriegsentwicklung. Das „land in a hurry“, wie es Ruander selbst nennen, bietet viele ganz unterschiedliche Aspekte, z.B.
-den Wiederaufbau von Staat und Wirtschaft
- die Aufarbeitung des Genozids
- die Bedeutung von Frauen für die Entwicklung
- den Kampf gegen die Korruption
- die gesellschaftliche und soziale Entwicklung und Differenzierung Stadt-Land
- den Ausbau des Bildungssektors und des Gesundheitswesens
- neue Energiewirtschaft und internetaffine Dienstleistungen
- die Kooperation mit den Nachbarn und
- der Einfluss Chinas.
Dies sind spannende Themen unterschiedlicher Reichweite. Die Suche nach aktuellen Informationen und Unterrichtsmaterialien, die immer wieder schwierig ist, wird durch die vorliegende Publikation sehr erleichtert. Einen Überblick zum Kontext von „Ruanda unterrichten“ will die folgende Strukturskizze geben. Sie vereinfacht, will aber die Zusammenhänge deutlich machen, die in einer Raumanalyse erschlossen oder in der Bearbeitung von einzelnen Inhaltsaspekten gesehen werden müssen. Eine vorschnelle Beurteilung ohne grundlegende Information und der Reflexion über den eigenen Bewertungsrahmen und die Wertmaßstäbe verbietet sich von selbst, Verkürzungen wie „Entwicklung oder Demokratie?“ führen in die Irre. Komplexe Sachverhalte müssen didaktisch reduziert, dürfen aber nicht auf Pseudo- Alternativen versimpelt werden, und Kontroverses muss kontrovers dargestellt werden – das ist eines der Prinzipien politischer Bildung, denen die gesellschaftswissenschaftlichen Fächer verpflichtet sind.
STRUKTURSKIZZE: RUANDA UNTERRICHTEN
Vorwissen |
Interesse |
Lehrplan |
Schüler Gegenstand |
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RUANDA ||| |
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Genese ---------------- Situation ------------------ Einordnungen -------------- Problemlagen------------ Perspektiven
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Raumanalyse
Dimensionen
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historisch kulturell |
geographisch ökonomisch |
politisch sozial |
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Inhaltsaspekte
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„Afrika“- Bild Kolonialismus „Dritte Welt“ Genozid 1994 Eurozentrische Perspektive … |
Lage Naturraum Ressourcen Handel Globalisierung … |
Demographische Entwicklung Herrschaftsformen Soziale Konfliktfelder Kooperationen Partnerschaft …
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Exemplarische Themen
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Kolonialzeit: Deutsche, Belgier und Ruander Ruanda und seine Nachbarn Disparitäten
Flucht und Migration Stadt-Land Ressourcen Infrastruktur Modernisierung: Gewinner und Verlierer Ruandische Diaspora Genozid/Gacaca „Kwibuka“ Millenniumsziele und SDG
Vision 2020 –die staatliche Planung der Zukunft Bereiche Bildung Gesundheit Verkehr Energie Tourismus Binnenentwicklung Außenhandel „Einheit“
Weitere Perspektiven/Themen sind u.a. Globalisierung –regionale Kooperation – China als Partner –– Entwicklung und/oder Demokratie? – Wertvorstellungen und Bewertungsmaßstäbe – Klischees, Vorurteile und Stereotype – Wer hat etwas von Schulpartnerschaften? – Die Partnerschaft Rheinland-Pfalz/Ruanda: „Graswurzelpartnerschaft“ – mit welchen Folgen? |
3 Ruanda als Unterrichtsthema - ein Blick in die Lehrpläne
Für die Schulen in Rheinland-Pfalz sind, in verschiedener Intensität, Ruanda und die Partnerschaft ein „Muss“, auch in den Schulen, die (noch) keine Schulpartnerschaft haben. Lehrpläne, Schulbücher und Unterrichtsmaterialien bieten eine gute Grundlage. Wer sich eingehender mit dem „pädagogischen Überbau“ und dem Blick in viele Schulfächer und –stufen beschäftigen will, kann dies mit im Juni 2015 durch die Kultusministerkonferenz (KMK) der Länder verabschiedeten „Orientierungsrahmen für den Lernbereich Globale Entwicklung“ tun. Der erweiterte und aktualisierte Orientierungsrahmen unterstützt in den deutschen Schulen eine Bildung für nachhaltige Entwicklung: http://www.engagement-global.de/globale-entwicklung.html [10.04.2017].
Die entscheidende normative Ebene für Unterrichtsthemen und –inhalte sind die Lehrpläne der Schulen. Lehrplanentwicklungen sind eine langwierige Sache, und gerade in den gesellschaftswissenschaftlichen Fächern veralten manche Inhalte schnell. Anders bei unserem Thema: Die Partnerschaft Rheinland-Pfalz/Ruanda findet in mehreren Lehrplänen in allen Schulstufen als explizit genannter Inhalt bzw. Inhaltsaspekt oder als Element von Lernzielen ihren Widerhall, und dies deutlicher als in früheren Lehrplänen. Neben den Möglichkeiten für jede Lehrkraft, im Rahmen der Gestaltung von Unterricht und in dem gegebenen pädagogischen Freiraum einen Schwerpunkt auf Ruanda und die Partnerschaft Rheinland-Pfalz/Ruanda zu setzen, gibt es also Lehrplanvorgaben, die den Stellenwert der Partnerschaft verdeutlichen. Beispielhaft für alle Schularten und –stufen wird der Lehrplan des Lernbereichs Gesellschaftswissenschaften in der Sekundarstufe I etwas breiter beschrieben. Alle Beispiele für die Grundschule, die Orientierungsstufe und die Sekundarstufe II in verschiedenen Schularten sind in den Lehrplänen auf dem Bildungsserver des Landes Rheinland-Pfalz zu finden: http://lehrplaene.bildung-rp.de/schulart.html [10.04.2017]. Ein Anspruch auf Vollständigkeit wird nicht erhoben, der pädagogische Gestaltungsspielraum kann und sollte gerade in den Fächern neben der Erdkunde kreativ genutzt werden.
Grundschule
Der „Rahmenplan Grundschule“ aus dem Jahre 2006 weist im Teilrahmenplan Sachunterricht aus, dass Kinder „in Erfahrungs- und Handlungsfeldern… Wissen über sich selbst und die Welt, in der sie leben“ erwerben: https://grundschule.bildung-rp.de/fileadmin/user_upload/grundschule.bildung-rp.de/Downloads/Rahmenplan/GSch_Teilrahmenplan_Sachunterricht.pdf [10.04.2017] (siehe dort S. 7). Besonders die „Perspektive Raum“ des Erfahrungsbereichs „Umgebungen erkunden und gestalten“ (S. 12f.) eröffnet im Orientierungsrahmen (S. 20 ff.), wo angezielte Kompetenzen und Perspektiven themenbezogen vernetzt sind, Anknüpfungspunkte für unser Anliegen. „Einen Landschaftsraum in seiner Erscheinungsvielfalt erarbeiten und ihn mit kontrastierenden Landschaftsräumen vergleichen“ (S. 26) lässt sich auch gut im Vergleich „Bei uns und in Ruanda“ bearbeiten. Die „Perspektive Zeit“ regt an, „Veränderungen menschlicher Lebensbedingungen erkennen, vergleichen und für die unterschiedlichen sozialen und wirtschaftlichen Gegebenheiten sensibilisiert werden“ (S. 28) und nennt dort in Klammern „hochentwickelte Länder/sich entwickelnde Länder; Wohnverhältnisse, Kinderreichtum; finanzielle Verhältnisse, Arbeitsbedingungen…“. Die „Perspektive Gesellschaft“ (S. 22f.) nennt u.a. „Empathiefähigkeit entwickeln“ und „Sich mit unterschiedlichen Interessen, Denkweisen und Zukunftsentwürfen von Mädchen und Jungen respektvoll auseinandersetzen“ sowie „Wissen und respektieren, dass alle Menschen die gleichen Rechte haben (Kinderrechtskonvention, Menschenrechte…)“. In einem Unterrichtsprojekt das Leben von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen in Ruanda zu erschließen ist damit von den Vorgeben her kein Problem – wenn Interesse, Wille und Materialien vorhanden sind.
Integrierte Gesamtschule und Realschulen plus
Der 2013 veröffentlichte Rahmenlehrplan Gesellschaftslehre (GL) für die Klassenstufen 5 und 6
( https://lehrplaene.bildung-rp.de/no-cache/gehezu/startseite.html?tx_pitsdownloadcenter_pitsdownloadcenter%5Bcontroller%5D=Download&tx_pitsdownloadcenter_pitsdownloadcenter%5Baction%5D=forceDownload&tx_pitsdownloadcenter_pitsdownloadcenter%5Bfileid%5D=NzQ0ODY%3D ) [10.04.2017] und der Rahmenplan von 2015 für die Klassenstufen 7 bis 10 ( https://lehrplaene.bildung-rp.de/no-cache/gehezu/startseite.html tx_pitsdownloadcenter_pitsdownloadcenter%5Bcontroller%5D=Download&tx_pitsdownloadcenter_pitsdownloadcenter%5Baction%5D=forceDownload&tx_pitsdownloadcenter_pitsdownloadcenter%5Bfileid%5D=NzQ0OTA%3D ) [10.04.2017] verweisen ausdrücklich auf den besonderen integrativen und inklusiven Charakter der GL: „Gesellschaftslehre führt politische, räumliche, zeitliche, soziale und ökonomische Perspektiven zusammen, da bei der Auseinandersetzung mit komplexen gesellschaftlichen Herausforderungen vernetztes Denken und Handeln notwendig sind, um die Interdependenzen dieser Perspektiven angemessen zu erfassen“. Dazu gehört ein verbindliches Instrumentarium von Methoden, um die Kompetenzbereiche “Wissen erwerben“, „Mit Wissen handeln“ und “(mit) Wissen bewerten/beurteilen/reflektieren“ zu entwickeln.
In der Orientierungsstufe kann das Thema 4 „Leben und Wirtschaften in verschiedenen Zeiten und Räumen“ (LP 5/6, S. 13ff.) mit einem Zeitumfang von ca. 20 Stunden kann in Teilen auch mit dem (Raum-)Beispiel Ruanda bearbeitet werden, das Thema 6 „Kinderwelten“ (Zeitansatz 12 Std.) nimmt Inhalte wie Lebensbedingungen von Kindern in unterschiedlichen Räumen, Zeiten und Gesellschaften“ sowie „Kinder in Not“ auf. Dies wird konkretisiert in „Anregungen für die Unterrichtsgestaltung“, u.a. „Erlebnisberichte, Bildbriefe und Rollenspiele über Kinderalltag in verschiedenen Kulturen, Vergleich von Tagesabläufen, Digitale Partnerschaft mit einer Schulklasse in einem anderen Land, Planung und Durchführung eines interkulturellen Klassenfestes, Planung und Durchführung der „Aktion Tagwerk“ oder „Aktion LebensLäufe“ (S. 25).
GL in den Klassenstufen 7 bis 10 differenziert für die beiden Schularten uns Schulstufen Tableaus aus, die mehrere Anknüpfungspunkte für „Ruanda unterrichten“ bieten. GL ist per se fächerübergreifend, und somit wird auch eine ganzheitliche Erschließung leichter möglich. Zu nennen sind besonders für die Klassenstufen 7/8 Thema 4: Planet Erde – Lebensraum in Veränderung. Klasse 9 Thema 5: Grundlagen Ökonomischen Handelns. Klasse 10 Thema 1: Internationale Konflikte; Thema 2: Migration; Thema 3: Herausforderung Globalisierung, dort auch mit dem Hinweis „Entwicklungszusammenarbeit mit dem Partnerland Ruanda“ (S. 55).
Lernbereich Gesellschaftswissenschaften in der Sekundarstufe I:
Erdkunde, Geschichte und Sozialkunde
Für die Sekundarstufe I der Realschule plus und des Gymnasiums beschreibt der seit 2016 verbindliche „Lehrplan für die Gesellschaftswissenschaftlichen Fächer Erdkunde, Geschichte, Sozialkunde“
den Handlungsrahmen und gibt Hinweise zur Differenzierung, didaktischen Struktur und fächerübergreifendem Arbeiten. Der neue Lehrplan enthält ein gemeinsames gesellschaftswissenschaftliches Kompetenzmodell sowie Fachlehrpläne für die drei Fächer. Explizite Hinweise und verschiedene Möglichkeiten für die inhaltliche Anknüpfung des Raumbeispiels Ruanda und Partnerschaft Rheinland-Pfalz/Ruanda werden für alle Fächer gegeben, wobei das Fach Erdkunde weiterhin eine besondere Bedeutung hat. Der Lehrplan fragt nach der Zielrichtung:
„Unterrichtsprozesse müssen auch im gesellschaftswissenschaftlichen Lernbereich vom Ende her gedacht werden:
- Was muss ein junger Mensch am Ende der Sekundarstufe I bzw. unmittelbar vor dem Eintritt in die Berufsausbildung wissen und können, um in der gymnasialen Oberstufe erfolgreich weiterlernen und sich in unserer Gesellschaft und im Berufsleben orientieren zu können?
- Über welche Kompetenzen sollte er am Ende der Sekundarstufe I verfügen, um lebenslang erfolgreich lernen und sich aktiv am gesellschaftlichen Leben beteiligen zu können?
- Welche Haltungen und Einstellungen sollten entwickelt oder zumindest angebahnt worden sein, damit junge Menschen gesellschaftliche Verantwortung übernehmen und sich aktiv für eine gerechtere Welt und nachhaltige Entwicklung einsetzen?“ (Entwurf Vorwort, S. 3)
Für den Fachlehrplan Erdkunde sind die von der Deutschen Gesellschaft für Geographie (DGFG) herausgegebenen „Grundsätze und Empfehlungen für die Lehrplanarbeit im Schulfach Geographie (Curriculum 2000+9“, (Bonn 2002) und die „Bildungsstandards im Fach Geographie für den Mittleren Schulabschluss“ (Berlin 8.Aufl.2014) der Referenzrahmen, der dafür sorgt, dass sich die fachdidaktischen und curricularen Entwicklungen in der Bundesrepublik Deutschland nicht länderweise vereinzeln.
In Erdkunde geht es allgemein um „umweltgerechtes und menschengerechtes Handeln“, die „Problemstellungen der Mensch-Umwelt-Beziehungen“, die in einem systematischen Aufbau eines geographischen Fachverständnisses aufgefächert werden. Von den 18 Lernfeldern des Fachlehrplans Erdkunde sind besonders die sechs für die Klassenstufe 9/10 perspektivisch wichtig, um die Kompetenzen zu erwerben, die Schülerinnen und Schüler befähigen „das Leben in der Welt von heute und der überschaubaren Zukunft zu meistern“:
Lernfeld Inhalte
III.1 Europa – Einheit und Vielfalt
III.2 Bevölkerungsentwicklung
III.3 Migration und Verstädterung
III.4 Welternährung zwischen Überfluss und Mangel
III.5 Länder und ihre Entwicklungsmöglichkeiten
III.6 Globalisierung
Bezogen auf Ruanda und die Partnerschaft Rheinland-Pfalz/Ruanda gibt es im Lehrplan Erdkunde bei allen sechs Lernfeldern Anknüpfungsmöglichkeiten. Als Inhalt werden sie in Lernfeld III.5 ausdrücklich benannt und eingefordert:
Lernfeld III.5 |
Länder und ihre Entwicklungsmöglichkeiten Stundenansatz: 15
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Leitfragen/Leitgedanken Was heißt „Entwicklung“? Wie lassen sich Unterschiede in der Entwicklung erklären? Wohin kann und soll sich ein Land entwickeln?
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Kompetenzen |
Inhalte |
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Die Lernenden erwerben Fachkompetenz: Sie ermitteln Raumstrukturen und –potenziale eines Landes des globalen Südens und bewerten kriteriengeleitet die Qualität der Entwicklung. Methodenkompetenz: Sie werten thematische Karten, Grafiken und Tabellen aus und fassen ihre Ergebnisse in einem Länderprofil zusammen [M2]. Kommunikationskompetenz: Sie präsentieren die Ergebnisse der Raumanalyse mediengestützt [K5]. Urteilskompetenz: Sie bewerten die Einteilung der Welt kritisch und reflektieren die Subjektivität der Raumwahrnehmung [U4] |
Basis: · Die Einteilung der Welt nach verschiedenen Kriterien · Strukturen und Potentiale eines ausgewählten Landes des globalen Südens · Wechselbeziehungen in der Einen Welt · Ruanda – Partnerland von Rheinland-Pfalz: ein Projekt der Entwicklungszusammenarbeit
Erweiterung: · Armut trotz Rohstoffreichtum
Vertiefung: · Bildung und Gesundheit als Entwicklungsmotoren
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Grundbegriffe Bruttonationaleinkommen (BNE), Entwicklungsland, Entwicklungszusammenarbeit, Human Development Index (HDI), Industrieland
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Inhaltlich-methodische Anregungen und damit verbundene Kompetenzen Räumliche Orientierung: · RO1 Topographische Wissensbestände: die Lagemerkmale ausgewählter Länder erläutern und die Topographie ausgewählter Regionen unterschiedlichen Entwicklungsstandes vergleichend beschreiben · RO2 Räumliche Orientierungssysteme: die Lage ausgewählter Regionen mit Bezug zu anderen Regionen (Bündnisse, Zentrum-Peripherie, „Nord-Süd-Gefälle“) analysieren · RO3 Kartenkompetenz: eine Raumanalyse durchführen, das naturräumliches Potenzial erläutern, thematische Karten zum Nutzungswandel auswerten · RO5 Raumwahrnehmung und –konstruktion: Amorphe Karten auswerten, kartographische Darstellungen in Bezug auf Manipulationsmöglichkeiten hinterfragen Methodische Anregungen: · Ein fachübergreifendes Projekt zum Partnerland Ruanda planen und durchführen [M1-M9] · Thematische Karten auf der Grundlage unüblicher Kriterien (Glück, ökologischer Fußabdruck) auswerten [M6] Filme aus geographischer Sicht analysieren [M 6]
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Möglichkeiten zur Öffnung von Schule · Expertengespräch mit Vertretern von Nichtregierungsorganisationen, mit Rückkehrern aus der Entwicklungszusammenarbeit · Internetkontakt zu Projektleitern der Entwicklungszusammenarbeit vor Ort · Aktionen und Wettbewerbe für die Eine Welt · Schulpartnerschaften
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Bezüge zu anderen Lernfeldern Innerhalb des Faches Erdkunde · II.5 Welternährung zwischen Überfluss und Mangel · II.6 Nachhaltigkeit · III.3 Bevölkerungsentwicklung · III.4 Migration und Verstädterung Bezüge zu den Fächern Geschichte und Sozialkunde · G: Erschließung neuer Handelsräume, z.B. Dreieckshandel (I.5.4 – Frühe Neuzeit als Zeit beschleunigten Wandels – Wirtschaft) · G: Welt nach 1945: Historische Grundlagen der Globalisierung (II.2.4.- Die Welt nach 1945 – Wirtschaft) · G: Längsschnitte „Arbeit“ und „Umwelt“ | Politisch-territoriale Entwicklung einzelner Staaten im 19. und 20. Jahrhundert ( II.1.1 – Weltweite Auseinandersetzungen – Orientierung) | Weltweite Ausdehnung von Wirtschaftsräumen im 19. und 20. Jahrhundert (LF II.1.4 – Weltweite Auseinandersetzungen – Wirtschaft) · SK: Bedrohungen von Frieden und Sicherheit in unserer Welt ( III.3 - Frieden und Sicherheit)
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(Lehrplan Gesellschaftswissenschaftliche Fächer, Fachlehrplan Erdkunde, S. 76-79)
Sekundarstufe II
In der gymnasialen Oberstufe, der Mainzer Studienstufe (MSS), haben mit der „Lehrplananpassung Gesellschaftswissenschaftliches Aufgabenfeld“ vom Juli 2011 das Thema Ruanda und die Partnerschaft Rheinland-Pfalz/Ruanda eine deutliche Akzentuierung für die Grundfächer Geschichte sowie Erdkunde/Sozialkunde und für die Leistungsfächer Geschichte, Sozialkunde und Erdkunde in den Jahrgangsstufen 11 bis 13 erfahren: https://lehrplaene.bildung-rp.de/no-cache/gehezu/startseite.html?tx_pitsdownloadcenter_pitsdownloadcenter%5Bcontroller%5D=Download&tx_pitsdownloadcenter_pitsdownloadcenter%5Baction%5D=forceDownload&tx_pitsdownloadcenter_pitsdownloadcenter%5Bfileid%5D=NzQ0ODU%3D [10.04.2017]
Um dessen Umsetzung zu erleichtern, wurde ein Beitrag „Ruanda. Lehrplan- und Unterrichtsthema im gesellschaftswissenschaftlichen Aufgabenfeld in den Jahrgangsstufen 11 bis 13 der gymnasialen Oberstufe (Mainzer Studienstufe)“ in Heft 02 der „Hinweise zur Lehrplananpassung in den Fächern Erdkunde und Sozialkunde“ (Hrsg. Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur, Mainz 2012) veröffentlicht. Das gesamte Heft ist auf dem Bildungsserver abgelegt:
Der Beitrag „Ruanda“ alleine ist auch auf der Homepage des Partnerschaftsvereins zu finden:
http://rwa.rlp-ruanda.de/fileadmin/user_upload/Handreichung_Ruanda_als_Unterrichtsthema.pdf
[10.04.2017]
Der Lehrplan für das Grundfach Erdkunde|Sozialkunde in den Kursjahren 12 und 13 sei hier auszugsweise zitiert, auf die anderen Fächer und das Leistungsfach Erdkunde nur kurz verwiesen.
Grundfach Erdkunde|Sozialkunde Erdkunde Kurse 12/1 und 12/2
Teilthemen TT 1: Geozonen (25 Stunden); TT 2: Wirtschaftsräume (35 Stunden); darin 2.1 Überblick (5 Stunden), 2.2 Wirtschaftliche Strukturen ausgewählter Staaten (15 Stunden), 2.3 Europa als Wirtschaftsraum (5 Stunden), 2.4 Räume mit Entwicklungsrückstand (5 Stunden), 2.5 Partnerland Ruanda (5 Stunden). Es gibt u.a. die Erläuterung: „Räume mit Entwicklungsrückstand (2.4) werden anschließend an einem Land behandelt. Exemplarisch werden darüber hinaus Zusammenhänge und aktuelle Entwicklungen am rheinland-pfälzischen Partnerland Ruanda (2.5) beleuchtet“, ein Fächerübergreifendes Projekt „Partnerland Ruanda“ vorgeschlagen (vgl. Lehrplan S. 40 ff).
Viele Schwerpunktsetzungen sind möglich, und die in dieser Publikation vorgelegten Materialien lassen sich gut verwenden. Lernziele und Inhaltsaspekte des Lehrplans geben Ruanda als Beispiel für eine Entwicklungsland viel Raum, um daran Fragen wie globale Verflechtung, regionale Disparitäten, Entwicklungspotentiale, heterogene Wirtschaftsräume, die Rolle Chinas, regionale Kooperation, aber auch die Wirkungen der Graswurzelpartnerschaft und von Schulpartnerschaften zu bearbeiten und zu beurteilen. Dabei wird der Unterricht sicher über das natürliche Raumpotential hinaus die besonderen Bedingungen und Entwicklungen Ruandas erfassen.
Grundfach Erdkunde|Sozialkunde und Sozialkunde Kursjahr 13
Teilthemen TT 1: Globalisierung als Vernetzung der Welt (4 Stunden); TT 2: Weltbevölkerung, Verstädterung, Migration (8 Stunden); TT 3: Weltprobleme Nahrung, Energie, Klima (10 Stunden); TT 4: Politik im Zeitalter der Globalisierung (10 Stunden).
Allein die Teilthemenübersicht zeigt die vielfältigen Anknüpfungsmöglichkeiten, Stichworte wie Migration, good governance, Ressourcen und Mangel, Verteilung von Armut und Reichtum, Gefährdung der Ökosysteme und Zukunftsperspektiven sind immanent. Das Leistungsfach Erdkunde nimmt die gleichen Themen auf, doch mit dem doppelten Zeitansatz.
4 Fachunterricht, fachübergreifendes und fächerverbindendes Arbeiten, außerunterrichtliches Lernen – es gibt (fast) keine Grenzen
Fachübergreifender und fächerverbindender Unterricht sind gerade beim Thema Ruanda und der Partnerschaft Rheinland-Pfalz/Ruanda eine besondere Chance, Fachgrenzen zu überschreiten, die eigene Lebenssituation der Schülerinnen und Schüler in den Unterricht (und wenn oft auch nur vergleichend) einzubeziehen, Handlungskompetenzen anzubahnen und „Globales Lernen“ am konkreten Beispiel zu gestalten und erfahren. Dies nutzen rheinland-pfälzische Schulen mit einer ruandischen Partnerschule in unterschiedlicher Weise und Intensität, um Projekte zu realisieren und Ruanda und der Partnerschaft Rheinland-Pfalz/Ruanda neben dem „normalen“ Unterricht breiteren Raum zu geben.
Wie beschrieben sind die Lehrpläne kein begrenzender Faktor, eher sind dies die Materiallage, das Interesse der Lehrkraft und der Schülerinnen und Schüler oder die in der Schulgemeinschaft gesetzten Schwerpunkte. Der Fachunterricht kann im Fach Erdkunde von den Klassen 5 bis 13 auf das Schulbuch und den damit verknüpften Medienverbund aufbauen. Gute Erfahrungen haben Schulen gemacht, die in ihrem pädagogischen Programm in mehreren Klassenstufen einen Themenschwerpunkt setzen. So wird dann Ruanda und die Partnerschaft z.B. in der Orientierungsstufe mit den Leitfächern Erdkunde/Religion, in den Klassenstufen 7 und 10 mit Erdkunde und Geschichte bzw. in Gesellschaftslehre, in der MSS im Grund- und Leistungsfach in den Kursjahren 12 und 13 zum Unterrichtsgegenstand.
Arbeitsgemeinschaften zur „Einen Welt“, Aktionstage und Projektwochen sind kein Privileg für Schulen mit einem Partner in Ruanda, sie sind aber dort oft ein fester Bestandteil der Schulpartnerschaft. Es lohnt sich für den Unterricht wie für außerunterrichtliche Aktivitäten einen Materialpool mit Kopiervorlagen, Filmen u.a. Medien anzulegen und diesen immer wieder zu aktualisieren. Ein „Ruanda-Ordner“, ob elektronisch oder als Kopiervorlage, entlastet im schulischen Alltags-Zeitdruck. Man kann ja mit den in dieser Publikation bereit gestellten Materialien beginnen, ergänzt von leicht zugänglichem Unterrichtsmaterial wie das auf der Homepage des Partnerschaftsvereins ( www.rlp-ruanda.de ) oder des Ruanda-Komitees e.V. Bad Kreuznach ( www.ruanda-komitee.de ).
Die Arbeit in den Schulen erschließt den Schülerinnen und Schülern Ruanda und die Partnerschaft Rheinland-Pfalz/Ruanda als Teil des Lebens in der „Einen Welt“, als Zugang zu „Globalem Lernen“, wo Menschen (und für Schülerinnen und Schüler sind dies zuerst einmal die Schulkinder) Erwartungen und Hoffnungen haben, Möglichkeiten und Grenzen erfahren, Tradition bewahren und Veränderungen erleben. Dies kann auch sehr gut vergleichend betrachtet werden. Dies ist für Schülerinnen und Schüler oft interessanter und bessere Einsichten vermittelnd als die von Erwachsenen diskutierten Fragen wie z.B. der, ob die „Hilfe zur Selbsthilfe“ als Kern der Partnerschaft tatsächlich eine „Partnerschaft auf Augenhöhe“ ermöglicht.
5 Partnerschaft und Schulpartnerschaften – besondere Chancen für die Schulen
Weit über 200 Schulen in Rheinland-Pfalz haben eine Partnerschaft mit einer Schule in Ruanda. Diese sind sehr unterschiedlich ausgestaltet und intensiv. Die Palette ist vielfältig, von der einmaligen oder gelegentlich wiederholten Sammelaktionen für die Partnerschule bis zur jährlichen Teilnahme an der „Aktion Tagwerk - Dein Tag für Afrika“ für ihre Partnerschule. Manche Schulen haben die Partnerschaft im Schulprogramm, einige bemühen sich sehr intensiv und dauerhaft um die Partnerschaft. Schülerinnen und Schüler haben in einigen Schulen eine „Ruanda-AG“ bzw. einen „club jumelage“ eingerichtet, die sich regelmäßig per Email oder Facebook mit den Partnern austauschen, und bei einer ganzen Reihe haben auch schon gegenseitige Besuche von Schülerinnen und Schüler und Lehrkräften stattgefunden.
Die Schulpartnerschaften mit einer Schule in Ruanda unterscheiden sich von denen mit Schulen in Frankreich, England oder Spanien nur teilweise. Dort ist die Zielsprache wichtig, gemeinsam ist das Kennenlernen einer anderen, fremden Kultur. Das Begreifen von globalen Zusammenhängen und die intensive Auseinandersetzung mit einem Land in Afrika werden verknüpft, die Bedeutung für das eigene Leben reflektiert. Empathie, Weltoffenheit und Toleranz werden gefördert. Es ist kein Zufall, dass einige rheinland-pfälzische Partnerschulen auch „Schule ohne Rassismus“, „UNESCO-Projektschule“ oder „Fair-Trade-Schule“ sind.
Neben dem fachsystematischen, besonders vom Unterrichtsfach Erdkunde getragenen Zugriff sind es fächerübergreifende Projekte und konkrete Aktionen für die Partnerschule, die dies ermöglichen. Formen wie gemeinsame Aktionen mit der Partnerschule, der regelmäßigen Austausch von Emails, die Bearbeitung gemeinsam interessierender Fragen via Internet oder den gegenseitigen Besuch sind möglich, aber nicht immer leicht zu realisieren. Begrenzend sind z.B. die verschiedenen Ferienzeiten, der fehlende Zugang zu Internet und modernen Medien, die (auf beiden Seiten) unzureichende Kommunikationsfähigkeit in englischer Sprache. Auf der anderen Seite beobachtet man heute in Ruanda eine Aufbruchsstimmung bei den jungen Menschen mit einem hoffnungsvollen Blick nach vorne. Was könnte man davon für sich selbst lernen, wie man sein Leben gestaltet und ihm eine Perspektive geben will!
Schule und Bildung haben in der ruandischen Gesellschaft eine große Bedeutung. 2016 wurde mit der Einführung von „Competence based curricula“ begonnen, durchaus vergleichbar mit den Zielen in „entwickelten“ Staaten. Schülerinnen und Schüler, Lehrkräfte und Schulleitungen kämpfen angesichts schwieriger Versorgung mit Schulbüchern, großen Klassen und neuen Methoden und Inhalten, für die es noch wenig Fortbildung und Erfahrungen gibt, mit den Zielvorgaben. Im November 2018 findet dann bereits das erste Nationale Examen auf der neuen Lehrplangrundlage statt. Alle Lehrpläne und die Einführungen (Kurzfassung von 32 Seiten, Langfassung 342 Seiten) sind im Netz in englischer Sprache zu finden: Rwanda Education Board, www.reb.rw.
Der informelle und persönliche Austausch von Lehrkräften beider Länder steht noch am Anfang, könnte aber interessant und hilfreich sein. Mögen die Unterschiede bei Klassengrößen, verfügbaren Unterrichtsmaterialien und Arbeitshaltung der Schülerinnen und Schüler auch groß sein: Grundlegende Fragen, z.B. Wie Schülerinnen und Schülern die für sie geeigneten Lernstrategien vermittelt werden, wie mit lernunwilligen oder langsamer lernenden Schülerinnen und Schülern umgegangen wird, wie der Anfangsunterricht in der Fremdsprache aussieht, wie der Satz des Pythagoras eingeführt wird, wie ein naturwissenschaftlicher Versuch protokolliert wird, usw. . Hier öffnen sich viele Themen für einen kollegialen Austausch, in englischer Sprache, die für beide Seiten eine Fremdsprache ist.
Die über die Schulpartnerschaften hinaus in der Partnerschaft Rheinland-Pfalz/Ruanda Aktiven tragen dazu bei, ein vielfältiges Bild zu vermitteln und zu diskutieren, wie weit die „Graswurzelpartnerschaft“ in der Zukunft tragfähig ist. Die (Schul-)Partnerschaft bietet durch den direkten Bezug von Mensch zu Mensch besondere Chancen, weil sie es dem Einzelnen ermöglicht, aktiv zu werden. Sie kann globale Probleme wie Klimawandel, Energieverbrauch, globaler Handel und globale Produktions- und Distributionsstrukturen nicht lösen. Sie kann aber zum gegenseitigen Verständnis beitragen und das „Leben im globalen Dorf“ leichter verständlich machen: Kein Teil der Welt kann seine Probleme alleine lösen.
6 Zu den Themen und Materialien für den Unterricht
In der Strukturskizze „Ruanda unterrichten“ sind Inhaltsaspekte und Themen genannt worden, die das (Raum-) Beispiel Ruanda oder einzelne Bereiche davon erschließen. Die Autoren der Unterrichtsbeiträge stellen strukturiertes Material bereit, die die Bearbeitung der Themen ermöglichen. Dabei liegt der Schwerpunkt bei geographischen und ökonomischen Fragestellungen. Breiten Raum nimmt die Auseinandersetzung mit der „Vision 2020“ ein, mit der die ruandische Regierung eine Zielprojektion der wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Entwicklung Ruandas vorgibt.
Die Mehrzahl der Materialien ist für das Fach Erdkunde und dort für den Einsatz in der Sekundarstufe II konzipiert. Englischsprachige Arbeitsblätter sind sonst nur schwer einsetzbar. Für die Grundschule und die Sekundarstufe I sind andere Zugänge und Materialien besser geeignet. Einige Tipps dazu sind in den Literaturhinweisen genannt.
Mit dem vorliegenden Angebot als Grundlage kann eine mehrperspektivische Raumanalyse Ruandas gut erarbeitet werden. Ein anderer Zugang ist die „Vision 2020“ in ihren Zielen und einer kritischen Würdigung, um die selbst gesteckten Ziele der Entwicklung in Ruanda kennenzulernen und deren Realisierung zu überprüfen. Ähnlich „von oben nach unten“ ist der Blick von den Millenniumszielen und den seit 2015 darauf folgenden „Zielen für nachhaltige Entwicklung“ (Sustainable Development Goals, SDG), wie sie in Ruanda als Zukunftsperspektiven „nach 2020“ umgesetzt werden können.
Die Raumanalyse kann insbesondere erfassen: Die
- Bedeutung von Bildung als Entwicklungsmotor in Ruanda
- Entwicklung des Gesundheitswesens
- regionalen und internationalen Verflechtungen Ruandas
- regionalen und sozialen Disparitäten mit deren Folgen: Binnenmigration und Landflucht
- Stadtentwicklung am Beispiel Kigali und das das Stadt-Land-Gefälle
- Binnenhandel und die auswärtigen Handelsbeziehungen
- Ressourcen- und Energienutzung und deren Perspektiven
- Flucht und Vertreibung durch Kriege und den Genozid
- ruandische Diaspora
- China (und Asien) als Handelspartner und „Entwicklungshelfer“ und
- SDG und nachhaltige Entwicklung.
Die Partnerschaft Rheinland-Pfalz/Ruanda wird ein besonderer Punkt sein, weil der Ansatz der „Graswurzelpartnerschaft“ sehr speziell ist (siehe andere Beiträge in dieser Publikation) und dessen politische Implikationen gesondert zu diskutieren wären. Die Staatsform und die realen Machtverhältnisse, politische und gesellschaftliche Zielvorstellungen und internationale Abhängigkeiten und Verflechtungen erschließen sich oft nicht so leicht. Lehrkräfte müssen allemal versuchen, sich ein möglichst umfassendes Bild zu machen, damit ihre didaktischen und methodischen Entscheidungen auf der Grundlage solider Faktenkenntnisse erfolgen können und den Schülerinnen und Schülern Ruanda als (Raum-)Beispiel mit möglichst vielen Facetten vermittelt und eigene Beurteilungs- und Handlungkompetenz erworben und genutzt werden kann.
7 Kommentierte Literaturhinweise und Links
Das „Portal Globales Lernen“ hat gut ein Dutzend grundlegender Quellen zu Ruanda verlinkt: http://www.globaleslernen.de/de/search/node/Ruanda [12.04.2017]
Grundinformationen über Ruanda und die Entwicklungszusammenarbeit:
http://www.bmz.de/de/was_wir_machen/laender_regionen/subsahara/ruanda/index.html
aktuelle Daten (fast alle im Vergleich zu Deutschland):
http://www.bmz.de/de/was_wir_machen/laender_regionen/subsahara/ruanda/profil.html
im Detail der Entwicklungszusammenarbeit:
http://www.bmz.de/de/was_wir_machen/laender_regionen/subsahara/ruanda/zusammenarbeit.html
Zu den SDG: Text und Einordnung bei der DGVN: http://menschliche-entwicklung-staerken.dgvn.de/internationale-ziele/ziele-fuer-nachhaltige-entwicklung-sdgs/
Tagesaktuell ist die regierungsnahe Zeitung The New Times“ (Kigali): http://www.newtimes.co.rw/
Nachrichten über Ruanda aus vielen Quellen hat die Plattform „allafrica“: http://allafrica.com/rwanda/ .
Interessant sind die englischsprachigen ruandischen Informationsquellen [alle am 12.04.2017 überprüft]:
http://www.rwandapedia.rw/ Dokumente, Bilder und Filme besonders zu Justiz/Gacaca/Gesellschaft ;zur Landwirtschaft http://www.rab.gov.rw/home/ ; zu Schule und Bildung einschl. Lehrpläne und Ergebnisse der nationalen Examen http://www.mineduc.gov.rw/agencies/rwanda-education-board/ ; zur staatlichen Planung http://www.minecofin.gov.rw/; allgemein zu allen offiziellen Webseiten: www.gov.rw
Wer in einem Film (11 Min.) sehen möchte, wie Englischunterricht in Ruanda praktiziert wird:
https://www.youtube.com/watch?feature=player_detailpage&v=hZ4KJoiIBSo
Informative, auf Tourismus und Imagepflege ausgerichtete Filme sind u.a. „Rwanda- Land of Thousand Hills“ https://www.youtube.com/watch?v=ke9A7zjduBY&list=PLAw4mq0U9uVMZSDycm6B7_HNCppfVide2&index=2 (18 Min.) oder “RWANDA” https://www.youtube.com/watch?v=XTPPQ98bYA8 (10 Min.)
Eine Handreichung zu Ruanda für die Oberstufe des Gymnasiums: Heil, Karl: Ruanda. Lehrplan- und Unterrichtsthema im gesellschaftswissenschaftlichen Aufgabenfeld in den Jahrgangsstufen 11 bis 13 der gymnasialen Oberstufe (MSS), S.78-90. Als Download : http://gymnasium.bildung-rp.de/fileadmin/user_upload/gymnasium.bildung-rp.de/downloads/130613_ONLINE_Heft_02_E_S.PDF
Zur Geschichte Ruandas und dem Genozid gibt es sehr viele Quellen und Literatur, auch in deutscher Sprache. Nur drei Hinweise:
Das UN-Programm http://www.un.org/en/preventgenocide/rwanda/ ,
als Lektüre - Johnson, Dominic: Ruanda : Anatomie eines Völkermordes. In: Die Zukunft der Menschenrechte, hg. Gunnar Köhne. Reinbek (Rowohlt) 1998,
als Überblick, sehr detailreich: Des Forges, Alison: Kein Zeuge darf überleben. Der Genozid in Ruanda. Hamburg 2002
Einen Überblick der Entwicklung der Partnerschaft gibt: Broermann, Mareike, u.a. (Hrsg.): Auf dem Weg. Lebenslinien der Partnerschaft Rheinland-Pfalz/Ruanda. Impressionen aus über 30 Jahren Länderpartnerschaft. Bad Kreuznach 2014
Laufend aktuell: RuandaRevue. Journal der Partnerschaft Rheinland-Pfalz/Ruanda. Hrsg. Ministerium des Innern, für Sport und Infrastruktur, Mainz. 2 Ausgaben jährlich, kostenlose Abgabe. Bisherige Hefte auch in:
Homepage der Partnerschaft Rheinland-Pfalz/Ruanda, http://www.rlp-ruanda.de
Die Ausgabe 2/2015 enthält Beiträge zu „Partnerland im Unterricht“
Vielfältige Einblicke in das Selbstverständnis von „Ruanda heute“ geben die Beiträge in dem von der ehemaligen ruandischen Botschafterin in Deutschland, Christine Nkulikiyinka, herausgegebenen Buch „Wir sind Ruanda“ (o.O. 2014)
Die Broschüre „Eine Welt – Unsere Welt. Das Europäische Jahr für Entwicklung in Rheinland-Pfalz“ wurde im Mai 2015 von der Landesvertretung Rheinland-Pfalz herausgegeben und wenig zur Kenntnis genommen. Sie ordnet die Partnerschaft Rheinland-Pfalz/Ruanda in den europäischen Kontext ein.
Zudem sei hingewiesen auf die PL-Information 7/2014 „Kinderrechte sind Menschenrechte“ (Speyer 2014), die einen Beitrag „Kinderrechte in Ruanda“ enthält (S. 104 ff.).